2022 wurde die Praxis des Modernen Tanzes von der UNESCO in die weltweite Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Während des Barcamps23 wurde den Vertreter*innen von vier Verbänden, die sich für den Erhalt und die zeitgemäße Weitergabe und Weiterentwicklung der künstlerisch-pädagogischen Konzepte des Modernen Tanzes engagieren, feierlich eine Urkunde überreicht.


Die Laudatio sprach Friederike Hansell, Leiterin der Koordinierungsstelle Welterbe beim Auswärtigen Amt.

Sehr geehrte Frau Bischof,
sehr geehrter Herr Freundt,
sehr geehrte Frau Waldeck,
sehr geehrte Frau Dr. Jenkner,
sehr geehrter Herr Al-Ghusain und sehr geehrte Frau Herzberg,
ganz besonders freue ich mich die praktizierenden Personen und Verbände des modernen Tanzes zu begrüßen,
sehr geehrte Teilnehmende des Symposiums,

ich freue mich sehr Sie heute im Namen des Auswärtigen Amtes und zugleich als Beauftragte der Kultusministerkonferenz für das UNESCO-Welterbe begrüßen zu dürfen. Und ich danke dem Dachverband Tanz für die Organisation dieser Veranstaltung.

PACT Zollverein ist ein ausgezeichneter Ort für die heutige Festveranstaltung – hier verbinden sich beispielhaft Materielles und Immaterielles Kulturerbe.
2001 wurde die Zeche Zollverein als herausragendes Industriedenkmal des Steinkohlebergbaus mit Titel UNESCO-Welterbe international ausgezeichnet.
Heute – 22 Jahre später - dürfen wir hier im 2002 gegründeten PACT Zollverein als choreographisches Zentrum für Entwicklungen in den Bereichen Tanz, Performance, Theater, Medien und Bildende Kunst eine zweite internationale Auszeichnung feiern.

2003 ins Leben gerufen schützt das UNESCO-Übereinkommen das immaterielle, lebendige Erbe in seinen verschiedenen Formen. Heute würdigen wir die Aufnahme der Praxis des Modernen Tanzes in Deutschland in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit – die im letzten Dezember 2022 in Rabat, Marokko beschlossen wurde. Ich freue mich daher sehr, heute hier zu sein und mit der Urkunde die amtliche Bestätigung über den Eintrag in die UNESCO-Liste überreichen zu dürfen.

2023 ist ein spannendes Jahr für das Immaterielle Kulturerbe, denn wir feiern gleich zwei Jubiläen: Wir feiern das 20-jährige Jubiläum des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes, und zugleich, dass Deutschland dem Übereinkommen vor genau 10 Jahren beigetreten ist.

Das Ziel des UNESCO-Übereinkommens von 2003 ist es vor allem, Immaterielles Kulturerbe sichtbar zu machen und seine Erhaltung, die Achtung und den gegenseitigen Respekt vor dem lebendigen Erbe der jeweiligen Trägergemeinschaften zu gewährleisten sowie die internationale Zusammenarbeit zu fördern. In der Umsetzung der Konvention stehen dabei die Trägergemeinschaften im Fokus. Sie sind es, die mit ihrem Engagement die Konvention lebendig machen.

Mit dem Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes leisten die Länder und der Bund mit Unterstützung der Deutschen UNESCO-Kommission einen Beitrag zur Umsetzung des Übereinkommens in Deutschland. Ein Engagement, das mit der erstmaligen Mitgliedschaft Deutschlands im zwischenstaatlichen Ausschuss zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes international fortgesetzt wird.

2014 wurde der Moderne Tanz mit seinen Stilformen und Vermittlungsformen der Rhythmus- und Ausdruckstanzbewegung auf Vorschlag der Trägergruppen in das Bundesweite Verzeichnis aufgenommen. Damit war der erste Schritt für eine internationale Bewerbung getan. Im März 2021 wurde die Nominierung dann bei der UNESCO eingereicht. Die Bewerbung umfasste die zu Beginn des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum entstandenen Stile und Ausbildungstraditionen der Rhythmus- und Ausdruckstanzbewegung, die bis heute lebendig sind.

Ich brauche Ihnen die Praxis des Modernen Tanz nicht weiter zu beschreiben – die kennen Sie als Praktizierende sicher besser als ich. Vielmehr möchte ich heute zum Ausdruck bringen, wie sehr der Moderne Tanz die UNESCO – und auch mich selbst - beeindruckt hat – nicht nur als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit, sondern auch als Bindeglied zu einem weiteren UNESCO-Übereinkommen von 2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zum Schutz der kulturellen Vielfalt. Gerade diese Verbindung hat in Rabat auch für spannende Diskussionen auf internationaler Ebene gesorgt.

Die Entscheidung des Zwischenstaatlichen Ausschusses im letzten Dezember bringt diese Anerkennung gut zum Ausdruck. Sie würdigt unter anderem, dass

  • die Praxis des Modernen Tanzes in Deutschland seit vier Generationen in Deutschland praktiziert wird und nach wie vor einen wichtigen Platz in der Unterrichtspraxis in Deutschland einnimmt;
  • die Praxis ein Zugehörigkeits- und Identitätsgefühl unter seinen Ausführenden schafft, und die Bindungen zwischen den beteiligten Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen stärkt;
  • und dass die Praxis des Modernen Tanzes die verbale und nonverbale Kommunikation erleichtert und dadurch den Dialog über kulturelle, ästhetische, emotionale und soziale Erfahrungen oder Ideen fördern wird;

Zugleich führt die Einschreibung zu einer stärkeren Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Immaterielle Kulturerbe und mit dem Modernen Tanz wird ein zeitgemäßes Konzept des lebendigen Kulturerbes weiter gefördert;

Mit der Aufnahme der Praxis des Modernen Tanzes in diese Liste verzeichnet Deutschland nun insgesamt sieben Einträge auf den UNESCO-Listen des Immateriellen Kulturerbes, unter anderem auch in Kooperation mit weiteren Staaten. Dies macht deutlich, wie viele Erfahrungen, Traditionen und Wissen wir als Menschheit miteinander teilen. Es verdeutlicht auch, dass es sich lohnt, über den Tellerrand hinaus zu schauen, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und mit Akteurinnen und Akteuren weltweit zusammenzuarbeiten. Eine Perspektive – vielleicht auch für den Moderne Tanz, der seine Wurzeln an verschiedenen Orten hat und vor Grenzen nicht halt macht. 

Die Anerkennung von Immateriellem Kulturerbe öffnet wichtige und konstruktive gesellschaftliche Diskursräume, mittels derer wir reflektieren können, was für uns in Zukunft wichtig ist und öffentliche Wertschätzung erfahren soll. Hierfür ist es unerlässlich mit allen Interessensgruppen einen Dialog zu führen. Daher ist es ganz besonders wichtig, all jenen Menschen eine Teilnahme zu ermöglichen, die das Wissen und Können rund um das kulturelle Erbe lebendig halten möchten.

In diesem Sinne ist die Einschreibung auch nicht nur eine Würdigung, sondern auch ein Auftrag an die Praktizierenden. Nutzen Sie den Eintrag als Impuls für neue Projekte, für eine nachhaltige Bewahrung und scheuen Sie auch nicht die kreative Weiterentwicklung. Nutzen Sie die Kraft des Modernen Tanzes, Menschen einander näher zu bringen.

In diesem Sinne gratuliere ich ganz herzlich zur erfolgreichen Eintragung und möchte abschließend noch einmal betonen, wie sehr wir Ihr großes Engagement für die Erhaltung des Modernen Tanzes schätzen. Seien Sie weiterhin so engagiert und kreativ und auch offen für neue Entwicklungen. Begeistern Sie die nächsten Generationen für unser gemeinsames Erbe und bewahren Sie die Praxis des Modernen Tanz auch weiterhin.

Herzlichen Glückwunsch an alle Praktizierenden des Modernen Tanzes, und ganz besonders (aber nicht ausschließlich) natürlich an die tragenden Akteure:

  • die Arbeitsgemeinschaft Rosalia Chladek
  • den Verein Elementarer Tanz
  • den Europäischen Verband für Laban/Bartenieff-Bewegungsstudien
  • das Institut für Zeitgenössischen Tanz der Folkwang-Universität
  • und die Gesellschaft für Tanzforschung

Herzlichen Glückwunsch!