Session 3.3 - 'Künstler*innen im Exil'
Leitung: Elena Leskova, Kulturmanagerin, Produzentin
Trafohaus - 15:00 - 15:45 Uhr
(Arbeitssprache dieser Session ist Englisch)
Wie können Tänzer*innen und Choreograf*innen ihre Tanzkarriere im Exil fortsetzen? Welche Möglichkeiten der Förderung gibt es und welche sind sinnvoll – regional und national? Wie können Probleme und Herausforderungen gemeinsam gelöst werden?
Dokumentation der Session
Elena eröffnet die Session mit einer kurzen Vorstellung ihrer Person - und mit der Frage an die Teilnehmenden: Welche individuellen Assoziationen habt Ihr zu dem Wort "Exil"?
- nicht zu Hause sein
- Migration
- Expat
Professionen 'at risk' - 'Wer geht ins Exi? Künstler*innen, Journalist*innen, Politiker*innen, Wissenschaftler*innen, Jurist*innen
Wer sind Künstler*innen im Exil? Es sind Menschen, die gezwungen sind, aus ihrem Herkunftsland zu fliehen, weil sie wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer künstlerischen Gemeinschaft verfolgt sind. Sie sind der Möglichkeit beraubt, frei zu schaffen, wobei sie oft ihre Unzufriedenheit mit dem politischen Regime zum Ausdruck bringen.
Das 20. Jahrhundert wurde zum Jahrhundert des Exils, und im 21. Jahrhundert, mit der Weiterentwicklung von Waffen, der Zunahme von Kriegen und damit der Zahl von Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, nimmt auch die Gruppe der Künstler*innen im Exil zu und wird immer sichtbarer.
Exil -> Aspekt der Dringlichkeit/Unabwendbarkeit
Elena gibt einen Überblick über die bürokratischen Schritte, die Künstler*innen im Exil in Deutschland durchlaufen.
Ein kurzer Input durch ein Rollenspiel: In diesem Szenario kommt eine Newcomer*in (Künstler*in im Exil) ins Gespräch mit einer (abstrakten) Institution in Deutschland. Welche Fragen stellen sich die beiden gegenseitig? Was sind die Grundlagen zum gegenseitigen Verstehen? Können Antworten gefunden werden?
Was wird den Teilnehmenden durch dieses kurze Rollenspiel bewusst? In erster Linie das bestehende Ungleichgewicht und Machtgefälle, die Hierarchie im System.
Mit welchen Schwierigkeiten sind Newcomer*innen in Deutschland konfrontiert?
- Verlust der (künstlerischen) Identität
- das eigene künstlerische Thema wird irrelevant
- Angst, gecancelt zu werden
- die fremde Sprache!
- alltägliche bürokratische Hürden (Bsp. Eröffnung eines Kontos)
Lösungsansätze?
- Empathie fördern und stärken
- Sensibilisierung
- Access verbessern
- Open up -> bestehende Machtpositionen hinterfragen und ändern, diverser besetzen: "Put people in power who have something to say and care for the people who are coming."
- Forderung: explizite Förderstrukturen für Newcomer*innen schaffen
- Transparente Kriterien bei Open Calls, Zugängen, Förderungen
- Consulting und Education für Newcomer*innen in Englisch anbieten (auch außerhalb von Berlin)
1. Das System der 'Legalisierung' muss überdacht werden
Als Beispiel der gängigsten Methoden der 'Legalisierung': Das Freiberufler-Visum. Es führt in Berlin zu einer künstlichen Ballung und einer verschärften Konkurrenz um künstlerische Fördermittel. Und dies, obwohl die Betroffenen oft bereit sind, in Dresden, Leipzig, Hamburg und anderen großen Städten zu leben. Der Mindestlohn, den ein*e Künstlerin verdienen muss, steigt, und die Mittel für die Kultur nehmen ab.
Im Falle von Visa aus humanitären Gründen finden sich Menschen im Exil oft isoliert in kleinen Städten wieder und haben keine wirkliche rechtliche Möglichkeit, in eine größere Stadt zu ziehen. Für gefährdete Künstler*innen ist hier der vorübergehende Ausstieg aus ihrem Beruf - manchmal sogar der endgültige, das werden wir in Zukunft sehen - ihr einziger Ausweg.
2. Schaffung klarer finanzieller Förderung und von Programmen, die darauf abzielen, neu angekommene Künstler*innen in die lokale Gemeinschaft zu integrieren.
Künstler*innen im Exil können nicht mit denjenigen konkurrieren, die schon lange in Deutschland arbeiten, auch wenn das berufliche Niveau von Exilkünstler*innen hoch ist.
3. Ein transparenteres Auswahlsystem in den Produktionshäusern: Offene Ausschreibungen, klare Auswahlkriterien.
Erfolg hängt sehr stark von dem Netzwerk ab, das Kurator*innen und Produzent*innen haben. Auch hier gilt: Newcomer brauchen viele Jahre, um den gleichen Stand der Vernetzung zu erreichen. Ein transparentes Produktionssystem macht das Gefüge für alle erkennbarer.
4. Organisationen sollten zusätzlich in englischer Sprache kommmunizieren.
5. Es sollte Beratung und Unterstützung in der Ausbildung sowohl auf institutioneller Ebene als auch auf persönlicher Ebene geben - überall, nicht nur in Berlin.
5. Seien Sie offen und haben Sie keine Angst, mit Neuangekommenen zusammenzuarbeiten. Manchmal können schon ein paar Tage Zusammenarbeit und 200-300 Euro, die man dafür erhält, das Leben und das Selbstwertgefühl eines Menschen auf den Kopf stellen und seine Erfahrungen entshceidend beeinflussen.